Die neuen Hypercar-Klasse im Überblick

Die neue Hypercar-Klasse im Überblick

Mit der Saison 2020/2021 führt die FIA WEC erstmals die Hypercar-Klasse ein. Wir geben Euch Antworten zu den wichtigsten Fragen!

Die neue Hypercar-Klasse im Überblick

Ersetzen Hypercars die Prototypen?

Mit dem Wechsel hin zum Hypercar-Reglement haben sich ACO und FIA klar zur Abkehr von der bisherigen WEC-Struktur bekannt. In vielerlei Hinsicht markiert das neue Regelwerk einen Neubeginn innerhalb der Rennserie.

So beginnt mit der Saison 2020/2021 der erste große Schritt zum Umbau der Weltmeisterschaft. Die bisherige Spitzenklasse LMP1 wird es künftig nicht mehr geben. Diese wird durch die neue Kategorie Le Mans Hypercar (bzw. LMH) ersetzt.

Der Fahrzeugtyp der Prototypen wird jedoch nicht komplett verschwinden, sondern in Form der LMP2-Klasse weiter bestehen. Hier wäre jedoch ein langfristiger Namenswechsel zur LMP-Klasse denkbar.

Wie muss ein Hypercar nach dem Regelwerk aussehen?

Anders als bei den LMP1-Boliden gestattet das Hypercar-Regelwerk mehr Wahlfreiheit und Individualität. So sind die Hersteller nicht mehr auf einen Konstruktions-Typ beschränkt und können sich auch bei der Motoren-Kombination sowie dem Fahrzeugdesign austoben.

Neben Prototypen-Basierten-Fahrzeugen, welche erst als Rennwagen gebaut und später ähnlich in Serie produziert werden, gibt es zudem noch Straßen-Basierte-Fahrzeuge. Diese wurden ursprünglich für die Nutzung auf der Straße konzipiert und durch spezielle Modifikationen renntauglich gemacht.

Bei der Antriebstechnologie steht es den Teilnehmern frei ob Verbrennungsmotoren (Benzin bzw. Diesel) oder Hybridantriebe verwendet werden. Die Eckdaten und das Design sind frei wählbar, jedoch dürfen 750 PS und ein Hybrid-Anteil von 270 PS nicht überschritten werden. Zudem wird es ab 2024 möglich sein, Wasserstoff-Aggregate sowie Wasserstoff-Hybridsysteme zu verbauen.

Bei der Aerodynamik müssen die Teams lediglich die Mindest- und Maximalmaße (Länge, Breite & Höhe) einhalten. Wie die Stromlinienführung genau erfolgt und welche Höhe Heckspoiler und Nase haben ist freigestellt. Das Gewicht der Fahrzeuge ist auf 1100 kg festgelegt.

Wichtigste Bedingung ist jedoch eine Serienproduktion der Fahrzeuge. Jeder Teilnehmer muss eine gewisse Mindestanzahl an Straßenvariante seines Rennwagens produziert und verkauft haben, um in der WEC zugelassen zu werden.

Wie wird der Wettbewerb auf der Strecke geregelt?

Die große Bandbreite an Fahrzeugkombinationen ermöglicht es den Herstellern, sich nah an der eigenen Produktpalette zu bewegen und Synergieeffekte aus Entwicklung, Test und Produktion zu schaffen.

Eine wichtige Neuerung, um dennoch fairen Wettbewerb auf der Strecke zu ermöglichen, sind die sogenannten Erfolgshandicaps. Bereits mit der Saison 2019/2020 wurde dieses System in der LMP1-Klasse eingeführt. Hierbei handelt es sich um ein Paket an Anpassungsmaßnahmen, welche die Rennleitung mithilfe eines KI-Systems vornehmen kann.

So ist es möglich Leistungsunterschiede zu mindern und alle Teilnehmer auf eine ungefähr gleiche Ebene zu bringen. Anhand der erzielten Punkte im Rennen und einer Verteilungsformel werden diese Maßnahmen für jedes Fahrzeug vor jedem Saisonlauf neu geregelt.

Ist die LMP2 nicht schneller als die LMH-Klasse?

Da die durchschnittliche Rundenzeit in Le Mans auf 3 Minuten und 30 Sekunden für die erste Saison limitiert wird, sind die LMP2-Prototypen leicht im Vorteil, was die Geschwindigkeit betrifft. Um hier gegenzusteuern, wird es eine Anpassung am Gibson Einheitsmotor geben, welcher in der LMP2 verpflichtend ist.

Ganze 30kW weniger wird der LMP2-Motor in der nächsten Saison an Leistung haben. Diese Einbremsung soll einen Vorsprung der neuen Hypercars möglich machen. Zudem wird der Reifenwettbewerb unterbunden und nur noch ein Hersteller in der LMP2 zugelassen.

Gibt es freie Reifenwahl in der Hypercar-Klasse?

Das Thema Reifenwahl ist ein sehr kompliziert in der WEC. Mit jeder Saison wurden Vorgaben verändert. In der Spitzenklasse LMP1 gab es Phasenweise eine Art Wettkampf zwischen Michelin und Dunlop. In den letzten beiden Jahren hatte sich jedoch Michelin als Einzelhersteller etabliert.

Mit Start der neuen Hypercar-Klasse wird es zunächst nur einen verpflichtenden Lieferanten für alle Teilnehmer geben, welcher Michelin heißt. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass im zweiten Jahr des Reglements ein Konkurrent wie Goodyear zugelassen wird.

Wer wird alles ein Hypercar einsetzen?

Nach aktuellem Stand wird es drei Hersteller in der neuen Hypercar-Klasse geben. Neben Toyota und Aston Martin, welche entsprechende Modelle ab 2020/2021 an den Start bringen, wird um das Jahr 2022 herum noch Peugeot einsteigen.

Alle drei Hersteller treten mit mindestens zwei Fahrzeugen an. Während Toyota ein Prototypen-Basiertes-Modell mit Hybrid-Motor konstruiert, setzt Aston Martin mit dem Valkery auf ein Straßen-Basiertes-Fahrzeug mit V12-Antrieb. Welches Konzept Peugeot verfolgt ist noch unklar. Einzig das Hybrid-Aggregat ist hier bereits kommuniziert worden.

Neben den bestätigten Teilnehmern gibt es eine ganze Reihe potenzieller Kandidaten, die schon eigene Fahrzeuge aktiv entwickeln bzw. Konzepte für die neue Klasse prüfen. Hier fehlt jedoch ein genaues Einstiegsdatum und weitere Details zum genauen Engagement. Auf der Liste stehen unter anderem McLaren, Ferrari, Lamborghini und Koenigsegg.

Wird es private Hypercars geben?

Anders als in der LMP2 oder den beiden LMGTE-Klassen wird es in der neuen LMH für Privatteams nicht mehr so einfach möglich sein einzusteigen. Nach der jüngsten Regeländerung im Dezember 2019 ist die Zusammenarbeit mit einer bekannten Automarke verpflichtend.

Das Regelwerk lässt viel Spielraum bei der Markenbindung. Von einem umfangreichen Sponsoring, über eine Motoren-Partnerschaft bis hin zu einem gekauften Fertig-Chassis gibt es hier mehrere Möglichkeiten. Das letzte Wort hat jedoch das Endurance Komitee, welches jede Teilnahme freigeben muss.

Rebellion Racing hat im Dezember verkündet, dass man als Einsatzteam für Peugeot agieren wird und so der WEC treu bleibt. Anders sieht die Situation für ByKolles aus. Das Team hatte 2019/2020 eine Pause eingelegt, um ein eigenes Hypercar zu bauen. Fraglich ist hier, ob sich innerhalb der verbleibenden Zeit ein Partner finden lässt der seinen Namen für das Projekt zur Verfügung stellt.

Ein halb-privater Teilnehmer ist die Scuderia Cameron Glickenhaus, welche in den USA Sportwagen für Straße und Rennstrecke herstellt, jedoch vom Umfang her eher einem großen Privatteam entspricht. Hier ist es am Endurance Komitee zu entscheiden, ob eine Zulassung ohne externen Partner erfolgen kann.

Wird in der LMH-Klasse auch ein WM-Titel vergeben?

Ähnlich wie zuletzt die LMP1, wird auch die LMH als Nachfolgekategorie einen WM-Titel vergeben. Neben dem Fahrertitel für das Trio mit den meisten Punkten wird es auch einen Teamtitel für die Startnummer mit den meisten Zählern geben. Sollte ein Team bzw. Ein Hersteller mehrere Fahrzeuge eines Modells einsetzen, so zählt jedes für sich einzeln. Eine Zusammenlegung der Punkte nach Marke, Modell oder Hersteller erfolgt im WM-Titelkampf nicht.

Wo gibt es noch mehr Infos zum Thema Hypercar?

Wer noch mehr über die neue Hypercar-Klasse, die Fahrzeuge und die Teilnehmer erfahren möchte, sollte sich die Sonderfolge des WEC-Magazin Podcast anhören. Dort erklären wir Euch in 90 Minuten alles, was Ihr wissen müsst!

WEC-Magazin Podcast #13

Weitere Infos zur neuen Hypercar-Klasse gibt es auf der offiziellen Seite der FIA WEC.

Bild © WEC-Magazin