Der LMP1 Jahresrückblick

Die Saison 2014 zählt mit Abstand zu den spannendsten der noch jungen WEC-Geschichte. In den vergangenen acht Rennen wurden wir zeuge von dramatischen, lustigen und spannenden Momenten. Wir möchten in den folgenden Artikeln das WEC-Jahr 2014 noch einmal Revue passieren lassen und für jede Klasse einen eigenen Jahresrückblick geben.
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Mit der Gründung der neuen Langstrecken-Weltmeisterschaft waren Anfangs nur Audi und Toyota in der LMP1-Kategorie vertreten. Da der Ingolstädter Autobauer bereits seit dem Jahr 2000 sehr erfolgreich in Le Mans mitfuhr, war es nicht verwunderlich, dass Audi im ersten Jahr den Weltmeistertitel holen konnte. Für Toyota bestand die erste Saison aus sammeln von Erfahrung und der Weiterentwicklung des Fahrzeugs. Die Japaner machten ihre Hausaufgaben und konnten bereits in der Folgesaison das Weltmeisterteam unter Druck setzten. Doch auch das zweite Jahr in der WEC genügte noch nicht um zum Gegenschlag auszuholen.

Gestärkt von den vergangenen zwei Jahren ging Audi auch in diesem Jahr mit hohen Erwartungen in die neue Saison. Die Autos waren in den vorangegangenen Rennen immer auf den vordersten Plätzen und man machte sich wenig Sorgen durch Toyota oder den Neueinsteiger Porsche ins Hintertreffen zu geraten. Doch das Jahr 2014 sollte für Audi unter keinem guten Stern stehen. Bereits bei den ersten Testfahrten zerplatzten die Träume von Audi ebenfalls Problemlos in das dritte Jahr zu starten. Mit dem neuen Regelwerk wurde erstmals das Antriebskonzept nahezu freigestellt. Audi begann schon in der zweiten Jahreshälfte der alten Saison mit den Entwicklungsarbeiten. Man wollte das bestehende Konzept durch ein zusätzliches Hybridsystem ergänzen und die gute Performance aus der Vergangenheit beibehalten. Die zusätzliche Energie-Rückgewinnung mit der größeren Batterie waren mehr ein Hindernis als der erhoffte Glücksgriff. Bei Audi sah man sich nach der ganzen Entwicklungsarbeit gezwungen zum Konzept von 2013 zurückzukehren und mit einem modifizierten Diesel-Motor möglichst viel Ausgleich zu schaffen. Bei Toyota hingegen war man zwar mit der Entwicklung einige Wochen im Verzug, jedoch nutzte man die Entwicklungszeit besser und konnte ein 1000 PS starkes Fahrzeug ohne Abstriche vorstellen.
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Im April folgte nach einer Vielzahl von Testfahrten endlich der langersehnte Saisonstart in Silverstone. Nach den ersten Rückschlägen hoffte man bei Audi die Probleme elegant überwunden zu haben und ging optimistisch ins Rennen. Doch der Paukenschlag folgte schon kurz nach dem Beginn. Die dunklen Wolken wurden immer dichter und überraschend setzte starker Regen ein. Die beiden Fahrzeuge von Audi waren auf Slicks unterwegs und verpassten den Moment um auf die Regenreifen zu wechseln. Mit einem Abstand von wenigen Minuten rutschten die Nummern 1 und 2 von der Strecke. Für Audi endete das erste Rennen mit dem schlechtesten Saisonauftakt in der Firmengeschichte. Bei Toyota behielt man einen kühlen kopft und fuhr schließlich auf die ersten beiden Podestplätze, gefolgt vom Neueinsteiger Porsche.

Das zweite Rennen in Spa-Francorchamps gilt traditionell als Generalprobe vor Le Mans. Nach dem soliden Sieg von Toyota waren alle Augen auf die Japaner gerichtet. In einem packenden Qualifying schaffte es das Porsche Team sich auf die Poleposition zu setzten, dicht gefolgt von Toyota. Audi ging mit drei Fahrzeugen an den Start und brachte jeweils bei zwei Boliden das Aerodynamik-Paket für Le Mans zum Einsatz. Doch auch diese Neuerungen brachten nicht die erhoffte Verbesserung und man hatte schwer gegen die Konkurrenz zu kämpfen. Nach einem schwerfälligen Start von Audi und einer guten, jedoch nicht dominanten Leistung von Toyota wandelte sich das Feld in der zweiten Hälfte und es bildete sich ein harter Dreikampf zwischen Audi, Porsche und Toyota um die Podestplätze. Am Ende schafften es die Japaner erneut den Sieg für sich zu beanspruchen. Audi konnte aufgrund seines neuen Aerodynamik-Paketes jedoch zeigen, dass man den Weltmeistertitel nicht kampflos aufgibt.
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Nach einem Monat Pause folgte das große Saisonhighlight. Die 24 Stunden von Le Mans standen auf dem Plan und Audi ging erneut als Titelverteidiger ins Rennen. Man hoffte auf dem vertrauten Terrain dem starken Toyota-Team die Stirn bieten zu können. Doch die ersten Tage verliefen alles andere als geplant. Nach einem Horrorunfall von Loic Duval und einem total zerstörten Fahrzeug noch vor dem Rennen folgte die nächste bittere Niederlage im Qualifying. Toyota schaffte es sich in einer spannenden Qualifikation die Poleposition zu holen und stellte zu gleich einen neuen Rekord auf. Kazuki Nakajima holte als erster Japaner die erste Startposition bei den 24 Stunden von Le Mans. Beflügelt von dieser Leistung ging Toyota erneut von ganz vorne ins Rennen. Einen Großteil des Rennens dominierte die Mannschaft aus Japan das Rennen und es sah alles nach einem Sieg aus. Doch in den frühen Morgenstunden des Sonntags sorgten technische Probleme dafür, dass Toyota schwer zu kämpfen hatte und die Führung schließlich abgeben musste. Der Verfolger Porsche übernahm nun die Spitze und konnte sich viele Stunden wacker gegen die beiden verbliebenen Audis verteidigen. Kurz vor Ende des Rennens sorgten jedoch auch bei Porsche technische Probleme für den Verlust der Spitze. Am Ende triumphierte Audi dank seiner Erfahrung und Konstanz in Le Mans.

Die ungewöhnlich lange Sommerpause nutzten die Teams um die Fahrzeuge weiterzuentwickeln und mit den Erfahrungen aus Frankreich die Saison im texanischen Austin wieder aufzunehmen. Alle Blick lagen auf Audi und Toyota. Nach dem Sieg von Audi stellten sich viele die Frage, ob die Ingolstädter ihre alte stärke zurückgefunden haben oder ob Toyota wieder einmal das Maß aller Dinge ist? Das Rennen am Circuit of the Americas folgte einer ähnlichen Anspannung wie bei den Läufen zuvor. Audi, Porsche und Toyota kämpften auf Augenhöhe und lange Zeit waren alle Möglichkeiten offen. Ein heftiger Regenschauer und viele von der Strecke geratene Fahrzeuge sorgten für eine Rennunterbrechung. Audi hatte aus den Fehlern von Silverstone gelernt und war besser auf den plötzlichen Wetterwechsel vorbereitet. Nach den sechs Stunden fuhr Audi schließlich als erster über die Ziellinie und übernahm die Tabellenführung. Nach vier Rennen bewegten sich beide Mannschaften erstmals wieder auf Augenhöhe und Toyota hatte nach einer starker Performance in der ersten Jahreshälfte viel Vorsprung durch den verpatzten Le Mans-Sieg einbüßen müssen.
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Die große Wende in dieser Saison folgte dann mit den 6 Stunden von Fuji. Für Toyota stand das Heimrennen vor der Tür und man hatte erstmals seit dem WEC-Einstieg die Chance, sich den Weltmeistertitel zu holen. Die Japaner hatten aus den Vergangenen Rennen gelernt und sahen sich in der Pflicht, zu Hause das Publikum mit einem Sieg zu belohnen und gleichzeitig wieder die Führung an sich zu reißen. Der Plan glückte und dank einer Vielzahl wichtiger Neuerungen am Fahrzeug schien der Groschen endlich gefallen zu sein. Der Sieg in Japan beflügelte das Team und man setzte nun alles daran den WM-Titel endlich zu gewinnen.

Das nächste Rennen in Shanghai folgte nur wenige Wochen später. Für die Teams blieb nicht viel Zeit um die Wagen weiterzuentwickeln und man musste das beste aus dem Material herausholen. Die Fahrzeuge von Audi sind auf Hochgeschwindigkeitsstrecken wie Spa, Le Mans und auch Shanghai ausgelegt. Nachdem man in Fuji mit dem Gegebenheiten zu kämpfen hatte, ging man optimistisch in das sechste Saisonrennen. Doch das Glück war nicht auf der Seite von Audi und man tat sich auch auf einer, sonst eigentlich dem Wagen gelegen Strecke, äußerst schwer. Der sechste Lauf ging erneut an Toyota, welche nach einem grandiosen Rennen erneut auf die ersten beiden Positionen fuhren.
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Beim vorletzten Rennen in Bahrain war die Mannschaft aus Japan nicht mehr zu stoppen. Während Toyota von Rennen zu Rennen die eigene Technik verbesserte und dank eines ausgeklügelten Hybridkonzeptes immer bessere Ergebnisse liefern konnte, geriet das Team von Audi ins Stocken. Nach dem letzten Erfolg in Austin tat man sich immer schwerer Anschluss an die beiden Toyota zu finden und konnte keine Siege mehr einfahren. Das eigene Hybridkonzept war durch die Probleme vom Jahresanfang weit in der Entwicklung zurück. Entgegen aller Erwartungen kämpften man zwar noch in der WM um den Titel mit, hatte bei dem Rennen in Bahrain jedoch keine realistischen Chancen mehr auf einen Sieg. Hinzu kamen erschwerte Bedingungen durch den Neueinsteiger Porsche, welcher in der zweiten Jahreshälfte seine Performance gefunden hatte und sich mit jedem Lauf steigerte.

Nach dem vorzeitigen Gewinn des Teamtitels in der Wüste von Bahrain schaffte es Toyota schließlich beim Saisonfinale in Brasilien sich auch den langersehnten Fahrertitel zu holen und so die beiden WM-Titel nach Japan zu bringen. In einem dramatischen letzten Lauf kämpfte Toyota über sechs Stunden gegen die beiden Porsche um das letzte Podium des Jahres. In der Schlussphase schaffte es Porsche nach langer harter Arbeit, den ersten WEC-Sieg in der Teamgeschichte einzufahren. Die beiden erfolgreichen Fahrzeuge von Toyota waren nach einer harten Saison am Ende ihrer Kräfte angelangt und mussten sich der Mannschaft aus Stuttgart geschlagen geben. Für Audi sollte auch das letzte Rennen nicht zur Besserung beitragen und man beendete das Jahr abgeschlagen, aber dennoch auf dem dritten Podestplatz.
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Toyota hat gezeigt, das sich die harte Arbeit nach zwei Jahren Forschung und Entwicklung endlich ausgezahlt hat. Für die kommende Saison stehen einige, nicht zu verachtende Neuerungen wie die Beschränkung der Motoren- und Reifenanzahl auf dem Plan. Dies könnte die Chance sein für Audi zur alten Stärke zurückzufinden, da man in Sachen Verschleiß seit jeher sparsamer und konstanter unterwegs war. Voraussetzung ist jedoch, das die Ingolstädter im neuen Jahr mit einem besseren Antriebskonzept aufwarten können. Interessant wird die Entwicklung von Porsche sein, welche mit einem völlig neuen 919 Hybrid im kommenden Jahr starten wollen. Falls Toyota bei all der Leistung den Verschleiß nicht in den Griff bekommt und Audi trotz der Sparsamkeit nicht die nötige Leistung auf die Strecke bringt, könnte Porsche der freudige dritte sein.

Bildquelle: Walter Schruff