Das Rennwochenende aus Sicht eines Chefmechanikers

Auch die Arbeitskleidung ist genau vorgeschrieben

Während für die Fans ein Rennwochenende der WEC zwei bis drei Tage umfasst, sind es für die Teams vor Ort meist sieben. Was in dieser Zeit genau passiert, haben wir vom Chefmechaniker des Porsche #91 erfahren.

Wie sieht eigentlich ein Rennwochenende aus Sicht der WEC-Teams aus? Mit dieser Frage im Gepäck haben wir beim Saisonfinale in Bahrain dem Porsche-Werksteam über die Schultern geschaut. Christian Moch hat uns einen Einblick gegeben, wie der genaue Ablauf vor Ort ist. Christian ist schon seit 2012 bei Manthey Racing aktiv und war in der Saison 2022 Chefmechaniker beim GTE-Pro Porsche #91.

Reifenwechsel-Training an der #91
Reifenwechsel-Training an der #91

Der Aufwand, um ein WEC-Rennen zu bestreiten, ist groß. Viel Vorbereitung und Logistik sind nötig, damit wir am Ende die Fahrzeuge auf der Strecke sehen können. Christian erzählte uns, dass die ersten Teammitglieder schon fünf Tage vor dem Rennen loslegen mit der Arbeit. Was genau an welchem Tag passiert, verrät die nachfolgende Chronologie:

Tag fünf vor dem Rennen

Die Setup Crew – circa 13 Personen – reist einen Tag vor dem Rest des Teams an. Diese ist am folgenden Setup Tag dann für das Ausladen und den Aufbau vor Ort zuständig. Währenddessen reist der Rest der Crew an.

Tag vier vor dem Rennen

Vor Ort wird gemeinsam mit dem gesamten Team der Aufbau fertiggestellt. Ziel ist es, dass ab Mittag von den jeweils zuständigen Crews an den Fahrzeugen gearbeitet werden kann.

Vorbereitung und Training für das Rennen
Vorbereitung und Training für das Rennen

Tag drei vor dem Rennen

An Tag drei liegt der Fokus weiterhin auf der Vorbereitung und der technischen Abnahme der Fahrzeuge: Während dieser werden alle Sicherheitsmaßnahmen wie die Gurte, Feuerlöscher oder Beleuchtung geprüft. Des Weiteren werden auch das Leergewicht, die Fahrhöhe, der Unterboden und die Heckflügel des Fahrzeugs vermessen bzw. gemessen. Alle hier relevanten Maße werden vorab vom Team kontrolliert und der Strecke und Homologation entsprechend eingestellt.

Nach Abnahme der Fahrzeuge findet in der Regel das erste Pitstop Training statt. Im Rahmen dieses werden alle während eines Rennens relevanten Abläufe trainiert: Dies umfasst neben einem „Standard-Reifenwechsel“ je nach Strecke auch den Wechsel der Räder an nur einer Seite oder auch nur von drei Reifen. Zusätzlich werden Reparatur Szenarios für verschiedene Schäden trainiert. Dies umfasst unter anderem den Wechsel von Splitter, Heckteil, Heckflügel, Kotflügel, Tür usw. Durch das Training dieser wird sichergestellt, dass das Team bestmöglich auf jeden möglichen Rennablauf vorbereitet ist.

Tag zwei vor dem Rennen

Tag zwei vor dem Rennen ist der erste Fahrtag. In dessen Rahmen finden zwei Sessions statt, wo verschiedene Dinge wie die Reifen, Dämpfer, Aerodynamik oder Gewichtsbalance getestet werden. Dabei liegt der Fokus darauf, alles möglichst schnell umzubauen, um keine Zeit zu verlieren und die Fahrzeit möglichst effektiv zu nutzen. Abends nach den Fahrsessions findet eine Durchsicht des Fahrzeugs statt und es wird geputzt. Meistens werden dann noch Umbauten am Fahrzeug für den nächsten Tag vorgenommen. Das kann von Bremsen über Dämpfer bis hin zum Differenzial alles sein.

Nebenher in der Rennwoche werden Tankversuche trainiert und man versucht die Tankzeit von 35 Sekunden immer zu treffen. Anschließend wird der Tank ausgelitert, um die Benzinmenge zu kontrollieren. Zudem gibt es drei Satz Dämpfer pro Auto, diese müssen zu Beginn der Woche sowie zwischendurch aufgebaut und eingestellt werden. 

Der Porsche #91 in der Startaufstellung
Der Porsche #91 in der Startaufstellung

Tag eins vor dem Rennen

Am Tag vor dem Rennen findet eine weitere Fahrsession und das Qualifying statt. Am Ende der Session wird meistens auch noch ein Pitstop trainiert, der kurz vorher angekündigt wird – so wie auch im wirklichen Renngeschehen. Zwischen der dritten Session und dem Qualifying liegt mit 4-5 Stunden mehr Zeit, in welcher wie nach jeder Session ein Setdown und eine Durchsicht durchgeführt wird. Darauf folgt ein Schraubencheck: Bei diesem wird jede Fahrwerksschraube mit Drehmoment überprüft und je nach Rennen dann auch mit Draht gesichert. Folgend findet das Setup fürs Qualifying statt, dieses ist etwas anders als das Rennsetup.

Nach dem Qualifying findet im besten Fall die Abnahme statt, wenn das Fahrzeug auf Pole gefahren ist. Dabei werden erneut Aspekte wie Fahrhöhe und Gewicht mit Fahrer sowie das Leergewicht gemessen. Zudem muss meistens eine Benzinprobe abgegeben und ein Stalltest – dabei wird der Motor abgewürgt, um zu überprüfen, dass dieser keine Falschluft zieht – durchgeführt. Zusätzlich können die Offiziellen alles kontrollieren was in der Homologation beschreiben ist. Von Sitz ausbauen und wiegen bis hin zu den Zündkerzen oder Ähnliches. Abschließend findet in der Regel nochmal ein Pitstop Training statt. Es werden alle Änderungen am Fahrzeug zurückgebaut und dieses für das Rennsetup eingestellt.

Der Renntag

Am Renntag wird das finale Setup vorgenommen und die letzten Schrauben und Shims mit Draht gesichert. Das Ersatzfahrwerk wird eingestellt, vorbereitet und die Ersatzbremsen (komplett mit Sätteln aufgebaut) werden final vorbereitet. Die vorher angebremsten Bremsen fürs Rennen kommen ans Auto. Dann beginnt die Vorbereitung für die Startaufstellung. Es werden alle notwendigen Sachen eingepackt, das Auto wird getankt, fährt Recon Laps und wird dann nochmal final vollgetankt. Anschließend wird das Auto im Grid platziert und der offizielle Ablauf vor Rennstart beginnt. Hier wird sich u.a. final aufgestellt und die jeweilige Nationalhymne abgespielt wird. Danach werden die Reifen gewechselt und Fahrer ins Auto gesetzt.

Ich bleibe am Fahrzeug, bis der Motor startet und muss dann schnell zurück in die Boxengasse bzw. runter von der Strecke, bevor das Rennen beginnt. Während des Rennens werden bei Pitstops Reifen gewechselt, getankt und im besten Fall keine Reparaturen durchgeführt. Wenn alles gut lief und man vorne ist, folgt nach dem Rennende noch eine Abnahme. Hier ist der Ablauf ähnlich zum Qualifying, nur noch ausführlicher. Parallel dazu wird bereits abgebaut. Am gleichen Abend wird meist alles, bis auf die Traverse, abgebaut.

Die Vorbereitungen für den Abtransport
Die Vorbereitungen für den Abtransport

Tag eins nach dem Rennen

Für alle bis auf die Setup Crew geht es am Tag nach dem Rennen bereits in Richtung Heimat. Die Setup Crew fährt nochmal zur Strecke und belädt alle LKW oder Container. Danach hat die Crew im besten Fall einen halben Tag frei und reist ebenfalls ab.

Der Text entstand in Zusammenarbeit mit Christian Moch & Porsche | Bilder © WEC-Magazin